Es war der 24.07. als ich den Schwangerschaftstest früh ganz still und heimlich machte. Irgendwie hatte ich es im Gefühl, dass es diesmal geklappt hat. Zwei Monate hatte ich schon wieder meine Tage nicht bekommen und habe nun alles in die überteuerten Ovulationstest gesetzt. Mitte Juli lief einfach alles perfekt. Es war das zweite Mal, dass der Test den Smiley angezeigt hatte, seitdem wir damit begonnen hatten. Es war Wochenende und ich hatte tatsächlich nicht mehr gehofft, dass der Test überhaupt noch etwas anzeigen würde. Täglich pieselte ich schon in den Becher und machte den Test, doch nichts. Aber an diesem Wochenende zeigte er den Smiley und wir waren super entspannt und hatten sehr viel spaß dabei. Nicht wie beim ersten Mal als der Smiley angezeigt wurde, wir waren so verkrampft, dass einfach nichts ging. Es war wie auf Knopfdruck und einfach nur auf Zwang.
Nun war es soweit, ich machte die Kappe wieder auf den Schwangerschaftstest und ich sah sofort das Plus, legte ihn aber erstmal vor Schreck bei Seite. 5 Minuten später nach dem Zähneputzen schaute ich nochmals drauf … positiv …ich bin schwanger!
Ich konnte es nicht glauben, mein Herz raste und mein Mann war noch in der Küche. Wie sag ich es ihm am besten? Geh ich sofort zu Ihm und sage ich es ihn zwischen Frühstück vorbereiten und zur Arbeit gehen? Nein ich wusste ich behalte es erstmal für mich und verabschiedete ihn. Da ich im Homeoffice bin, verzog ich mich in mein Arbeitszimmer … nein in unser Kinderzimmer. Die erste Halbestunde nach dem ich mich angemeldet hatte, saß ich da wie gelähmt. Heulend vor Glück und einfach nur Baff von all der Freude die in mir aufstieg. Ich fing an meinen „Bauch“ zu streicheln und sagte dem kleinen Mohnkorn, dass ich es für immer beschützen werde und es liebe, egal was kommt.
Ich überlegte mir in der Mittagspause, wie ich es meinem Mann sagen kann. Da fiel mir ein, dass ich noch einen kleinen Maulwurf habe der seit einem Jahr darauf wartet, einen Spielgefährten zu haben. Da ich so oder so immer Kartons für den Fall der Fälle aufhebe. Nahm ich den Schwangerschaftstest, legte ihn ganz unten in einen Karton darüber ein Zettel mit „Du wirst Papa“. Den kleinen Maulwurf legte ich darauf, sodass er nicht sehen konnte was darunter ist, mit einem Zettel „Nimm mich in den Arm“.
Nun wartete ich, dass mein Mann nach Hause kam, total happy und aufgeregt, wie ich ihm das Paket nur geben könnte. Er kam nach Hause zog sich um und setzte sich nichtsahnend auf die Couch. Ich fragte ob er einen Kaffee trinken möchte und machte uns beiden einen. Dann gab ich ihn das Paket. Da er tatsächlich auf ein Paket gewartet hatte war er auch zum Glück darüber nicht verwundert.
Er öffnete den Karton. Ganz verdutzt schaute er auf den Zettel und wunderte sich warum auf einmal der Maulwurf darin lag. Er nahm den Zettel mit „Nimm mich in den Arm“ hoch und schaute noch verwirrter. Dann nahm er endlich dem Maulwurf in die Hand und sah den Zettel mit „Du wirst Papa“. Ich weiß nicht was er in dem Moment gedacht hat, aber er schaute weiterhin verwirrt. Ich stand derweil schon mit Tränen in den Augen neben ihm. Er sah den Schwangerschaftstest und sagte nur „Mach keinen Scheiß“ und lächelte, schaute mich an, wie ich schon vor Glück heulend dastand. Dann umarmten wir uns und ich bzw. wir waren die glücklichsten Menschen in diesem Moment.
Es war Freitag und wir waren wie betäubt vor Glück, das ganze Wochenende!
Mein Mann wollte, dass ich sofort am nächsten Montag zum Frauenarzt gehe und es bestätigen lasse. Aber bei meinem Glück hatte meine Ärztin mal wieder Urlaub. Eine von drei Wochen war schon um, also nur noch zwei Wochen durchhalten. Ich machte in den zwei Wochen noch weitere zwei Schwangerschaftstest, weil ich es einfach nicht glauben konnte.
Ich merkte langsam die Veränderungen. Ich konnte jetzt schon nicht mehr Durchschlafen, da ich immer mindestens ein Mal aufs Klo musste und meine Brüste schmerzten, egal wie ich lag. Zudem bekam ich einen Bärenhunger, sonst aß ich am Wochenende nur zwei Mal, nun hatte ich alle drei Stunden wieder Hunger. Während der Arbeit reichte mein Frühstücksmüsli nicht mehr aus, da ich vor dem Mittag schon wieder Hunger hatte. Es war echt Wahnsinn für mich und immer wieder der Beweis für mich, da passiert etwas. Mein Körper braucht Energie, deshalb auch die extreme Müdigkeit. Im Internet recherchierte ich ständig den Entwicklungstand und war einfach nur fasziniert und beeindruckt was da alles so passiert.
Nach dem Urlaub meiner Frauenärztin rief ich sofort montags an und fragte wann ich kommen kann. „Morgen Nachmittag können sie kommen, aber etwas Zeit mitbringen“ – Kein Problem für mich. Am nächsten Nachmittag stand ich auf der Matte und sagte der Schwester, dass ich drei Tests gemachte habe, die hoffentlich nicht lügen. Also wartete ich. Da mir gesagt wurde, dass ich Zeit mitbringen soll, dachte ich „Geh dann nochmal in Ruhe auf Toilette, bis du dran kommst musst du eh wieder.“. Leider falsch gedacht, kaum hingesetzt musste ich schon rein in die Umkleidekabine. Und da wartete ich nun zehn lange Minuten, bis ich aufgerufen wurde und ich musste immer dringender… „Reiß dich zusammen, das schaffst du schon“. Dann kam der Aufruf, ich bin rein und meine Frauenärztin lächelte mich schon an. Ich sagte ihr vor Aufregung genau nochmal das Gleiche, wie schon der Schwester: „Ich habe drei Tests gemacht und hoffe, dass diese nicht Lügen“. Diesmal freute ich mich, dass ich auf diesen ach so gehassten Stuhl durfte.
Es sah alles gut aus und die Ärztin erklärte mir noch, dass ein Chlamydien-Test gemacht wird, nur um sicher zu gehen. Kurzer Piecks – „unangenehm, naja egal“, dachte ich und ab zum Ultraschall. Endlich! Ich war so aufgeregt. Vorher hatte ich gelesen, dass man eventuell schon ab der 6. Woche das Herz schlagen sieht und ich hatte mir das so sehr gewünscht, da ich ja bereits an dem Tag in der 7. Woche also 6+1 war.
Wieder hingelegt, alles vorbereitet und los ging es mit dem Ultraschall. Und da sah ich es … die Frauenärztin musste mir nichts erklären, ich wusste durch das Internet genau, was ich sah. Ein schwarzer Fleck und darin ein kleiner pulsierender weißer Punkt. MEIN BABY! Ich starrte nur noch auf den Monitor und konnte mein Glück nicht mehr fassen. Es war real. Ich hatte mir das alles nicht eingebildet, ich bekomme ein Baby.
Meine Ärztin erklärte mir nochmal alles und gab mir das erste Foto meines Babys in die Hand. Ich war wie in einer Glocke und konnte nur noch das Bild anstarren. Sie erzählte weiter und sagte mir noch den weiteren Werdegang und und und … Aber das bekam ich schon nicht mehr mit. Nur noch, dass wir uns in zwei Wochen zur ersten großen Untersuchung wiedersehen werden und ich dann auch meinen Mutterpass bekomme.
Als ich im Auto saß, weinte ich vor Glück und schrieb meinen Mann eine WhatsApp, ob ich ihm das Bild schicken soll. Aber er wollte erstmal, dass ich nach Hause komme. Ich war benebelt als ich nach Hause kam, überglücklich und so froh, dass es eine intakte Schwangerschaft ist und kein Windei, wie die Befürchtung meines Mannes.
Wir waren überglücklich und platzen vor stolz und entschieden uns Ende der 8. Woche unseren Eltern, die sich mit uns zum Grillen verabredet hatten, davon zu erzählen. Es war ein etwas stressiges Wochenende, aber gemeinsam schaffen wir alles. Mein Mann behandelte mich währenddessen wie ein rohes Ei. Beim Einkaufen betonte er immer wieder etwas lauter „du darfst alles essen was du willst, denn du bist SCHWANGER“. Ja das war ich und ich war es trotz der schlaflosen Nächte ein tolles Gefühl unser Glück vollkommen zu machen.
Vor dem Treffen mit unseren Eltern überlegen wir uns noch, wie wir die Überraschung mitteilen könnten. Wir kauften zwei kleine Schachteln und ein paar Rasselsöckchen. Diese packten wir in die Schachteln mit jeweils dem gescannten und gedruckten Ultraschallbild und noch einem Zettel worauf stand „Ihr werdet Oma und Opa“.
Der Tag war da und wir waren so aufgeregt. Und da saßen wir nun mit Sektgläsern vor uns. Ich liebe Sekt, aber naja nun nicht mehr. Als ich den Sekt ablehnte, wurden schon alle stutzig. Ich hatte mir jedoch Bier mit 0,0 Promille gekauft zur Tarnung. Dies füllte ich mir in mein Sektglas und alle waren erstmal nicht mehr so stutzig. Ich stupste meinen Mann an und gab ihm das geheime Zeichen und holte die Schachteln aus meiner Handtasche. Wir gaben sie unseren Müttern. Meine Schwiegermutter bekam die Schachtel zuerst auf und klappte sie so schnell es ging wieder zu. Ihr schossen sofort die Tränen in die Augen und mein Schwiegervater wusste nicht, was los war. Meine Mutter fummelte währenddessen immer noch an der einfachen Öffnung rum. Endlich hatte auch sie die Öffnung gefunden und freute sich mit einem Aufschrei, mein Vater gleich mit. Meine Schiegermutter saß immer noch wie gelähmt da und wir gaben erstmal meinem Schwiegervater, der immer noch im Dunkeln tappte die Schachtel. Er öffnete sie und freute sich gleichermaßen, wie meine Eltern. Alle weinten vor Glück und wir waren alle überglücklich. Das Kind wurde natürlich an dem Abend noch begossen und wir feierten bis in die Nacht.
Meine Eltern schliefen bei uns und wir frühstückten am nächsten Morgen noch gemeinsam. Als sie wegfuhren und wir feststellten, dass wir etwas bei meinen Schwiegereltern vergessen hatten, wollten wir nochmals los, um es abzuholen. Bevor wir losfuhren musste ich wie immer nochmals die Toilette besuchen. Auf dem Klopapier stellte ich fest, dass mein Zervix leicht rosa war. Ich war sofort verunsichert, wollte mir aber erstmal nichts anmerken lassen und wir fuhren zu meinen Schwiegereltern. Nachdem wir den Abend nochmals revuepassieren ließen, fuhren wir wieder nach Hause. Mein Mann merkte, dass etwas nicht mit mir stimmte und fragte, was los sei. Ich brach sofort in Tränen aus und hatte fürchterliche Angst. Zwischendurch hatte ich im Internet gelesen, dass es nichts Gutes heißt. Er beruhigte mich und meinte, dass schon alles in Ordnung sei. Und wenn ich mir unsicher bin, soll ich beim Frauenarzt am nächsten Morgen anrufen.
Montags setzte ich mich wieder an meinem Schreibtisch. Der Zervix war wieder etwas rosa gewesen, jedoch sagte ich mir immer wieder, dass alles gut wird. Es ist alles gut. Gegen 8 Uhr war ich dann nochmals auf Toilette und dann traf es mich wie ein Schlag. …. Eine Schmierblutung! Ich zitterte am ganzen Leib und schrieb nur noch schnell eine Mail an meine Chefin, dass es mir nicht gut geht und ich zum Arzt gehe.
Ich fuhr zum Arzt, wie in Trance. Als ich ankam, musste ich nicht lange warten und durfte in die Umkleidekabine. Als ich darin wartete, sah ich in den dort hängenden Spiegel und redete mir gut zu. Alles wird gut, das passiert, es ist mit Sicherheit nichts Schlimmes. Ich wurde aufgerufen und erklärte meiner Ärztin was los war. Sie untersuchte mich zuerst auf dem Stuhl. Sie sagte, dass der Muttermund geschlossen sei und sie das alte Blut sehen kann. Irgendwie ermunterte mich die Tatsache, dass der Muttermund geschlossen ist wieder und ich sagte mir wieder, alles ist gut. Voller Hoffnung legte ich mich zum Ultraschall hin, wartend auf die Ärztin. Diese sagte mir wieder, dass ich bitte auf den Bildschirm schauen soll, um alles zu sehen.
Sie fing an mit der Untersuchung. Diesmal dauerte es sehr lange, bis sie etwas sagte. Zwischendrin schaute ich immer wieder abwechselnd zum Bildschirm und in ihr Gesicht. Ihr Gesicht sah nicht freudig aus, sondern besorgniserregend und traurig. Sie suchte regelrecht nach etwas. Das Ultraschallbild war diesmal nicht so eindeutig für mich selbst zu lesen, wie beim letzten Mal. Aber als ich den kleinen Schatz sah, deutlich größer als beim letzten Mal und für mich menschenähnlicher, war ich etwas beruhigt. Dann legt meine Ärztin das Ultraschallgerät weg und fing an mit mir zu reden. Die genauen Worte weiß ich nicht mehr, da ich von dem Moment an alles nur noch wie einen Film wahrnahm. Ich weiß nur noch, dass Sie zu mir sagte: „Es tut mir leid, aber ich sehe keinen Herzschlag mehr“. Ich war wie paralysiert. „Der Embryo hat sich nicht viel weiterentwickelt und der Dottersack sieht verdächtig zusammengefallen aus, am besten kommen Sie morgen nochmal, dann sehen wir vielleicht mehr, die Schwester gibt ihnen eine Krankschreibung mit“.
Ich habe nur noch genickt, bin in die Umkleide, zog mich an, holte meinen Termin und meine Krankschreibung am Tresen ab und ging zum Auto. Als ich mich reinsetzte, brach es über mich herein …. Mir wurde bewusst: Mein Baby in meinem Bauch lebt nicht mehr. Ich fing an zu weinen. Konnte nicht verstehen, was da gerade passiert ist und dachte, dass das alles nur ein Traum ist. Es war doch gerade alles so schön. Dann hupte es hinter mir. Jemand wollte, dass ich die Parklücke frei mache … Ich atmete tief ein und fuhr weinend nach Hause.
Zu Hause angekommen setzte ich mich, immer noch benommen, an meinen Computer, um meine Kollegin anzurufen. Ich musste ja noch eine Übergabe meiner Urlaubsvertretung machen. Irgendwie war mir das in dem Moment wichtiger als meinen Mann anzurufen. Vielleicht hatte ich auch Angst vor seiner Reaktion. Also wartete ich darauf, dass meine Kollegin auflegte und wählte ihre Nummer. Bevor ich zum Arzt ging, schrieb ich ihr nur kurz eine Mail, dass wir die Übergabe später machen.
Als sie abnahm, versuchte ich so stark wie nur möglich zu sein. Sie hörte aber, dass etwas nicht stimmte: „Was ist denn los? Alles Ok bei dir?“, ich sagte nur „Ja wird schon wieder, mir geht’s nur nicht so gut.“ Ich versuchte nicht zu schluchzen. Ich fing an mit meiner Urlaubsübergabe und dann erzählte ich ihr: „Das Herz meines Babys hat aufgehört zu schlagen“ und ich weinte drauf los. Sie versuchte mich zu beruhigen und meinte, dass es ihr Leid für uns tut. Dann sagte sie jedoch einen Satz, den ich nicht mehr vergessen werde: „Als meine Freundin mehrere Fehlgeburten hatte, sagten wir ihr immer, dass es nicht schlimm ist. Denn dann war es nicht IHR Baby, nicht das richtige. Es war nicht das richtige Baby für euch. Ihr bekommt schon noch euer Baby – das richtige.“
Ich bedankte mich bei ihr, ich war eh zu benommen, um ihr da zu widersprechen und wir beendeten das Gespräch. Ich schrieb noch meiner Chefin eine Mail, stellte meine Abwesenheitsmail ein und fuhr den Computer runter. Ich saß da, wie ein Häufchen – immer noch wie in einer Blase, die jeden Moment platzen könnte. Da saß ich nun heulend auf der Couch mit immer noch etwas Hoffnung, dass Morgen beim Ultraschall alles ein großer Fehler war und mir die Ärztin sagt: „Das Herzchen, da ist es und es schlägt“.
Ich rief meinen Mann an, er konnte vor lauter weinen kaum verstehen, was ich da gerade zu ihm sagte: „Ich war gerade beim Arzt … das Herz schlägt nicht mehr. Kannst du bitte nach Hause kommen. Wenn nicht, ist das auch nicht schlimm. Ich komm schon klar.“ Er war total ruhig und meine nur, dass er mich gleich nochmal anruft, da er erst fragen muss, ob er nach Hause darf. Fünf Minuten später rief er wieder an, „Ich bin schon auf der Autobahn und bin gleich bei dir“. Weitere fünf Minuten später ging die Tür auf und er schaute total verängstigt aus und schaute mich an. Weinend und total fertig auf der Couch saß ich da. Er setzte sich neben mich und ich fiel nur noch in seine Arme und wir weinten zusammen.
Am Nachmittag rief ich meine Eltern an und erzählte ihnen, was passiert war in kurzen Sätzen. Nur so viel, wie ich erzählen konnte, ohne zu weinen. Dasselbe machte auch mein Mann. Der Tag an sich verflog wie im Flug und bestand für uns nur aus weinen und reden, ab und zu brachten wir uns auch zum Lachen, auch wenn uns nicht danach war.
Als wir ins Bett gingen, war ich total fertig. Meine Augen angeschwollen und rot. Meine Nase verstopft. Und wir Arm im Arm versuchten weinend einzuschlafen. Mitternacht wachte ich auf, ich hatte starke Unterleibskrämpfe, so stark, wie ich sie noch nie hatte. Ich schleppte mich auf Toilette. Kurzzeitig war mir schwarz vor Augen, als ich gebückt dasaß. Meine Hände und Beine zitterten. Als ich abwischte, sah ich es. Überall Blut. So viel Blut. Ich fing an zu weinen. Spülte. Zog die Hose hoch. Schleppte mich wieder ins Bett und weckte meinen Mann. Ich sagte ihm nur, dass ich starke Schmerzen habe und es nicht mehr aushalte. Von dem vielen Blut sagte ich ihm nichts, um ihn nicht noch mehr zu beunruhigen. Er fragte mich, ob ich wir ins Krankenhaus fahren sollen. Ich erwiderte nur, dass ich es nicht weiß und Angst habe. Da wir nicht wussten, wie viel in der Notaufnahme los war und mein Mann am nächsten Morgen wieder auf Arbeit musste. Riefen wir den Krankenwagen. Für uns handelte es sich schließlich um einen Notfall. Ich hörte das Gespräch mit. Der Mann am anderen Ende war sehr unfreundlich und fragte drei Mal nach unserer Adresse, bevor er überhaupt wissen wollte, was los war. So wirklich wollte er auch nicht wissen, was los ist, er meine nur gelangweilt: „Ich schicke ihnen jemanden“. Ich versuchte mir schnell eine Hose überzuziehen, die mir mein Mann gab und wartete geduldig und zusammengeknüllt im Bett.
Zehn Minuten später stand mein Mann mit zwei Männern vor unserem Bett. Der eine meinte nur: „Na da müssen wir sie halt mitnehmen.“ „Sie müssen jetzt mit uns mitkommen, aber bis zum Wagen laufen, das schaffen sie ja bestimmt“ Klar, ich habe nur Schmerzen, kein Ding, dachte ich mir und wankte hinterher. Mein Mann sollte zuhause auf mich warten, meinten sie nur. Wir konnten uns nicht einmal verabschieden, das brach mir irgendwie das Herz ihn so hilflos zurück zu lassen, aber in dem Moment dachte ich nur noch an mein Baby und was jetzt passieren könnte. Ich stieg in den Krankenwagen und setzte mich. Der Herr, der bei mir hinten mit fuhr, stellte mir zwei bis drei Fragen und schaute mich nicht einmal an. Er schrieb seinen Bericht und beachtete mich nicht einmal. Mein Körper zitterte, ich wusste nicht einmal warum, aber er bebte. Meine Arme und Beine konnte ich nicht mehr still halten. Ich saß zitternd und zusammengerollt auf diesem Stuhl im Krankenwagen und hatte irgendwie schon bereut, überhaupt daran gedacht zu haben, auf Verständnis und Hilfe gehofft zu haben. (Später las ich übrigens in einem Bericht, dass das Zittern kurz vor einem Kreislaufkollaps auftaucht. Nur mal so am Rande.) Als der Krankenwagen hielt, wankte ich wieder den beiden Sanitätern hinterher. Der Fahrer begleitete mich zu einer Liege und da lag ich nun.
Fünf Minuten später wurde ich in einen Notfallraum geschoben, um auf die Frauenstation gebracht zu werden. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich dort war, aber die Pfleger waren alle sehr nett. Dann sah ich einen Mann und hörte meinen Namen. Er schob mich auf die Frauenstation, wo bereits eine kleine Ärztin das Licht in der Station anschaltete und auf mich wartete.
Mein „Fahrer“ hielt vor einem Zimmer und die Ärztin sagte nur zu mir: „Laufen können Sie ja den Rest alleine, so schwer ist das ja nicht.“ Ich hievte mich von der Liege, bedankte mich bei meinem „Fahrer“, wankte wieder hinterher und setzte mich an einen Schreibtisch wo die Ärztin bereits genervt auf mich wartete. Sie schaute mich an und fragte mich mit einem osteuropäischen Akzent „Was soll ich mit Ihnen jetzt machen?“ Ich sah sie verdutzt an. „Ich kann hier nichts machen, Sie haben ein Abort. Das ist ganz natürlich. Ich kann Ihnen nicht helfen. Haben Sie Schmerzmittel genommen?“ Ich antwortete „Nein“, sie schaute mich zornig an: „Warum nehmen Sie keine Schmerzmittel?“ „Ich dachte in der Schwangerschaft soll man keine Schmerzmittel nehmen und da meine Frauenärztin gemeint hatte, dass wir heute nochmals schauen wollen, ob das Herz nicht doch noch schlägt, wollte ich meinem Kind nicht schaden.“ Sie verdreht nur die Augen und meinte: „Sie können bis zum 3. Trimester getrost noch Schmerzmittel nehmen, das ist kein Problem. Ich habe außerdem keinen Platz für Sie, ich kann Ihnen nicht helfen.“
Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich bin in einem Krankenhaus und mir wird gesagt, dass sie mir nicht helfen können? Wo war ich da nur hingeraten? Wut stieg in mir auf und ich erwiderte ihr „Ich habe so starke Schmerzen und Sie wollen mir jetzt sagen, dass ich nach Hause gehen soll und eine Ibuprofen 400 ausreicht?“ „Naja Sie können auch 2 nehmen.“ Tränen schossen in mir hoch. Ich verstand die Welt nicht mehr, die Welt, die mir jetzt auf gleich mein Kind und meine Hoffnung genommen hat. Ich merkte, wie mich die Ärztin musterte, dann meinte sie im nächsten Moment, dass ich mich frei machen soll. Das tat ich auch. Kraftlos kletterte ich auf den Stuhl und sie begann mit der Untersuchung, die sie anscheinend, dann doch laut Protokoll machen musste.
Sie zeigte mir einen Glastrichter und ich nickte, dann spürte ich nur noch Schmerzen. Unsanft führte sie ihn mir ein und sagte zu mir „Es ist definitiv ein Abort“. Dann kam der Ultraschall. Ich blickte auf den Monitor und sah … NICHTS. Der kleine Körper der sich noch ein paar Stunden zuvor auf dem Ultraschallgerät zeigte, war weg. Mein Baby wollte nicht länger bei mir bleiben. Sie blickte zu mir und sagte „Seien Sie froh. Mutternatur regelt das manchmal von alleine und sie sparen sich dadurch eine Ausschabung. Dadurch haben Sie das Glück, schneller wieder bereit zu sein für eine erneute Schwangerschaft.“ Sie freute sich regelrecht darüber. In mir drehte sich alles. Und als ich von dem Stuhl aufstehen durfte, blickte ich auf und sah das Kondom über dem Ultraschallgerät. Es war voller Blut. Das war ein Anblick, den ich wohl nie wieder vergessen werde. Ich war so erschrocken und verängstigt, ich sehe es heute noch immer vor mir.
Sie schickte mich zum Waschbecken und befahl mir, mich abzuwischen und meine Hosen wieder anzuziehen, dann durfte ich mich wieder setzen. Sie sah mich musternd an und griff zum Hörer, diskutierte kurz und legte wieder auf. „Ich habe ein Bett für Sie, da bekommen Sie eine Infusion mit Schmerzmitteln. Es ist aber auf der Geburtenstation. Also nicht schön.“ Ich blickte Sie erschrocken an und sagte: „Nein, danke. Ich möchte bitte nach Hause. Ich habe noch Ibuprofen zu Hause“, sie meinte nur, „Ja das machen Sie richtig, ich hätte mich auch dafür entschieden. Ich schreibe Ihren Entlassungsbericht und danach können Sie gehen.“ Ich nickte und wartete.
Als sie fertig war mit schreiben, gingen wir gemeinsam noch bis zu den Fahrstühlen, dann gab sie mir meine Papiere und meinte, dass ich mich noch in der Notaufnahme abmelden muss. Sie schaltete das Licht wieder auf der Frauenstation aus und ich ging in den Fahrstuhl. Als dieser aufging, stand ich in einer leeren Halle, nicht wissend, wo ich mich nun abmelden muss. Also drehte ich mich ein paar Mal im Kreis und suchte wo ich hinmuss. Nach fünf Minuten fand ich eine Klingel und zwei Schwestern kamen mir entgegen. Sie nahmen mir meine Dokumente ab und fragten, ob ich alles habe, ich sagte: „Mir fehlt noch mein Schreiben für meinen Arzt“ Sie kicherten und meinten „Ach diese Ärztin, sie macht einfach nicht das, was sie soll. Immer wieder dasselbe. Alles Gute Ihnen.“ Sie machten die Tür zu und ich ging raus. Raus aus diesem Krankenhaus.
Ich rief meinen Mann an. Seitdem der Krankenwagen bei uns war, war gerade mal eineinhalb Stunden vergangen. Er war hellwach und meinte, er sei gleich bei mir. Ich lief zum Haupttor. Ich weiß nicht mehr wo ich die Kraft hernahm, aber ich lief so schnell ich konnte. Ich wollte nur noch weg. Ich fühlte mich so schmutzig nach der ganzen Prozedur. Hilflos – verlassen. Dinge die man nicht wirklich in Worte fassen kann, wenn man sie nicht live erlebt hat. Mein Mann kam, holte mich ab. Wir fuhren nach Hause und ich schlief in seinen Armen wieder ein. Da wo ich mich am sichersten fühle.
Als die Nacht vorbei war, war ich froh. Ich konnte eh kaum schlafen. Meine Augen füllten sich nach dem Erwachen, sofort wieder mit Tränen. Es war alles, wie in einem schlechten Traum. Doch die Wahrheit holte mich auf der Toilette schnell wieder ein. Immer wieder sehe ich dieses Blut .…
Am Nachmittag war ich bei meiner Frauenärztin. Ich erzählte ihr von den Geschehnissen der Nacht und von der Unfreundlichkeit und Unverständnis der Ärztin im Krankenhaus. Leider erfuhr ich auch bei meiner Ärztin die Wahrheit: „Sie hatten eine Fehlgeburt, wir nehmen Ihnen jetzt noch Blut ab und machen einen neuen Termin.“ Ich weiß tatsächlich nicht mehr viel von der Woche, außer dass mir mein Mann tena Lady für starke Inkontinenz gekauft hat und wir bis heute noch viel darüber lachen. Ich habe an die ganze erste Woche, in der die Regenwolke über mich kam (wie ich es so schön ausdrücke), keine Erinnerung. Ich war wie auf Droge. Außer Süßigkeiten nichts gegessen. Videospiele gespielt. Fernsehen geschaut. Und? Ich befand mich wie in einer Blase, als wäre nichts passiert. Ich fühlte mich ja auch noch schwanger, ich verdrängte einfach den Gedanken an die Fehlgeburt. Ich tätschelte weiterhin meinen Bauch, als wäre da noch jemand. Jemand den ich beschützen muss. Aber da war niemand.
Das wurde mir eine Woche nach der Diagnose „kein Herzschlag“ erst so wirklich bewusst. Mein Mann dachte bis zu diesem Zeitpunkt, ich bin stark, so wie ich das alles wegstecke. Aber das war ich nur bis zu dem Moment, als meine Blase platzte und wie ganz viele Regentropfen auf mich einprasselte. An dem Montag zerbrach mein Herz, denn ich realisierte, da war nichts mehr, was ich hätte tätscheln können. Niemand auf den ich noch aufpassen kann, da ist seit einer Woche nur noch Blut. Die Bilder aus dem Krankenhaus kamen alle wieder hoch und ich durchlebte alles immer wieder. Immer wieder sehe ich mich auf diesem Stuhl, immer wieder sehe ich dieses Ultraschallgerät mit diesem roten Kondom, immer wieder sehe ich diese Ärztin wie sie zu mir sagt „Mutternatur regelt das“.
Meine Frauenärztin hatte mir bereits am Freitag eine Verlängerung der Krankschreibung mitgegeben, mir aber auch schon gesagt, dass ich über psychologischen Beistand nachdenken soll. Darüber dachte ich natürlich nicht nach. Mittwoch war ich dann wieder bei meiner Ärztin zur Untersuchung, der Ultraschall war OK, der Blutwert noch nicht. Sie sagte zu mir „Wenn Sie nicht klarkommen, kommen Sie einfach nochmals vorbei und wir verlängern die Krankschreibung, wenn nötig“. Ich lebte den Rest der Woche so vor mich hin. Einkaufen alleine keine Chance. Ich hatte es versucht, bin aber an der Kasse fast in Tränen ausgebrochen. Am Wochenende fühlte ich mich gut. Ich habe noch viel geweint, aber es war nicht so, wie an den anderen Tagen, denn mein Mann war da.
Sonntag fragte ich ihn, ob ich mich weiterhin krankschreiben lassen soll. Er meinte warum nicht, wenn ich noch Zeit brauche. Dasselbe meinten meine Eltern, Freunde und Kollegen auch. Also rief ich am Montag bei meiner Ärztin an um ihr zu sagen, dass es mir seelisch noch nicht besser geht. Sie meinte plötzlich, dass das doch nicht sein kann, da ich ja schließlich schon zwei Wochen hatte und wir nun erst über psychologische Betreuung sprechen sollen. Ich verstand die Welt nicht mehr, die Frau die mir immer nett und verständnisvoll entgegen kam, war nun auch nur wie alle anderen? Ich meinte nur, dass ich es mir überlege und vorbei komm. Bis zu diesem Moment ging es mir eigentlich nicht sonderlich schlecht. Doch als ich auflegte, brach es aus mir heraus. Mein Mann wusste gar nicht warum und was nun los war. Ich weinte ohne Ende und fuhr als ich mich beruhigt hatte zum Arzt und ging mit meinem Krankenschein für eine weitere Woche und einer Überweisung zur psychiatrischen Behandlung.
Im Nachhinein habe ich sehr oft gelesen, dass Frauen nach einer Fehlgeburt, egal wie früh oder spät sie war, generell nur zwei Wochen Anrecht auf eine Krankschreibung haben. Stirbt ein Familienmitglied erhält man bis zu vier Wochen. Aber ist eine Fehlgeburt nicht auch der Verlust eines Familienmitglieds?
Ich habe nun die Diagnose reaktive Depression nach Abort. Meine Krankschreibung endet zum 14.09.2020. Am 15.09. gehe ich wieder arbeiten und stelle mich meinen Ängsten und Fragen meiner Kollegen. Am 22.09. habe ich einen Termin bei einer Psychologin. Ich werde kämpfen, für mich, meinen Mann und für meinen kleinen Stern, dem ich jede Nacht am Himmel gute Nacht sage.
(Von: Tina R.)
Hast auch du eine Fehlgeburt erlitten? Wie bist du mit deinem Verlust umgegangen? Was hat dir geholfen? Was hat sich seither verändert? Schreibe mir deinen Gedankenbalsam gerne an: info@gedankenbalsam.de . Bei Interesse veröffentliche ich auch gerne deine Geschichte (anonym) hier auf meinem Blog, um Betroffenen mit deinen Erfahrungen Hoffnungen und Mut zu geben.